In einem dichten Geflecht aus Bestimmungen, Einschätzungen und Zuständigkeiten verlieren viele Sorgeberichtigte trotz umfangreicher Angebote der Elternarbeit den Überblick in den Berufsbildungsoptionen des Kindes. Es ist zu vermuten, dass auch deswegen viele beschäftigungswillige Unternehmer vor einer Hürde stehen. Brandenburg zeigt, wie Inklusion in der Berufsausbildung aussehen kann. Aus zahlreichen Jugendlichen sind in den letzten Jahren Fachkräfte für die Region geworden. Doch was gibt es zu beachten?
Ein Beitrag von Christian Jakobitz, Inklusionsberater der Handwerkskammer Cottbus. Foto Wesely_Dental_Technik
Menschen mit Behinderung – wer ist gemeint?
Junge Menschen mit Behinderung können in der Vorbereitung und Durchführung der Berufsausbildung unterstützt werden. Dies betrifft insbesondere junge Menschen mit Schwerbehinderung (also einem Grad der Behinderung von 50 und mehr) und mit Behinderung (Grad der Behinderung von 30 und 40). Was viele nicht wissen, ist, dass auch Jugendliche ohne einen Grad der Behinderung für die Dauer der Berufsausbildung gleichgestellt werden können. Dies geschieht durch ein Rehabilitations- und Teilhabeverfahren bei der Agentur für Arbeit. Hiervon können insbesondere Auszubildende mit sonderpädagogischen Förderbedarfen, z.B. im Bereich „Lernen“ profitieren.
Welche Unterstützungen gibt es in der Ausbildung für Menschen mit Behinderung?
Hier berühren wir die großen Themen der Nachteilsausgleiche, der beruflichen Sicherung und der finanziellen und pädagogischen Unterstützungen. Im Grunde genommen profitieren Arbeitgeber und Arbeitnehmer von den gesetzlichen Regelungen. Ein Ausbildungsverhältnis kann durch die Gewährung von Nachteilsausgleichen wesentlich unterstützt werden. Unter einem Nachteilsausgleich kann innerhalb der Berufsbildung z. B. verstanden werden:
- Einen theoriereduzierten Ausbildungsberuf zu wählen
- Die Berufsausbildung zeitlich und sachlich verändert zu gliedern (z.B. durch zusätzliche Ausbildungszeit oder eine Form der Teilzeitausbildung)
- Einen behinderungsspezifischen Nachteilsausgleich in der Berufsschule zu erhalten
- Für die Abschluss-, bzw. Gesellenprüfungen Nachteilsausgleiche zu nutzen (z.B. die Verlängerung von Prüfungszeiten oder die Durchführung von Einzelprüfungen)
Die berufliche Sicherung in Ausbildungsverhältnissen umfasst dabei zum Beispiel
- die Begleitung durch Fachdienste
- Schulung und Beratung von Unternehmen in Bezug auf die jeweilige Behinderung
- Kündigungsschutz in Bezug auf mit der Behinderung einhergehende Kündigungsgründe.
Finanziell und pädagogisch gefördert wird die Inklusion in der Berufsausbildung von Menschen mit Behinderung unter anderem durch
- die Zahlung von Ausbildungszuschüssen für Unternehmen
- die Einrichtung eines behinderungsspezifisch angepassten Ausbildungsplatzes, sowie die Schaffung eines neuen Ausbildungsplatzes
- Nutzung von Landesprogrammen (z.B. „Perspektive inklusiver Arbeitsmarkt – PIA) in Brandenburg
- Prämienzahlungen an Unternehmen und Azubis
- kostenfreie Teilnahme an Lernfördermaßnahmen. Diese umfassen neben der elementaren Nachhilfe auch pädagogische Unterstützung und vereinzelt auch eine psychologische Unterstützungskomponente
- die Teilnahme an Projekten des gemeinsamen Lernens innerhalb der Berufsschule
- die Begleitung durch Mentoringprogramme.
Beliebte Berufsausbildung von jungen Menschen mit Behinderung oder Förderbedarfen
Im handwerklichen Bereich ist die Berufswahl sehr vielfältig und hängt natürlich wesentlich von der Auswirkung einer Beeinträchtigung ab. Stark frequentiert sind die Kfz-Technik, Metalltechnik sowie die Bau- und Maler-Handwerke, insbesondere im Hoch- und Tiefbau, sowie das Lebensmittelhandwerk. Bewerber mit Schwerbehinderung wählen oft das Büromanagement oder Gesundheitshandwerke wie Zahntechniker/-in, Augenoptiker/-in oder Hörakustiker/-in. Ein inklusives Ausbildungsverhältnis sollte umfassend geplant und vorbereitet werden und verschiedene Akteure wie Berufsberater, Lehrkräfte und Fachdienste einbeziehen.
Inklusion in der Berufsausbildung – besser früh starten!
Grundsätzlich gilt, dass inklusive Ausbildungsverhältnisse weitreichender geplant und vorbereitet werden sollten. Hierfür sind oft mehrere Akteure erforderlich. Je eher ein Berufswunsch existiert um so eher kann beraten werden. Es ist hilfreich wenn spätestens im Vorabgangsjahr ein grundlegendes Interesse für Berufsbereiche besteht, welches durch schulische oder freiwillige Praktika, sowie vertiefende Berufsorientierungsangebote, wie z.B. „Handwerk trifft Schule“ gefestigt bzw. überprüft werden kann. Spätestens im Abgangsjahr sollte schon ein fester Kontakt zum Berufsberater der Agentur für Arbeit bestehen, bzw. die Entscheidung getroffen sein, ob nicht doch ein rehaspezifischer Berater der Agentur die Betreuung übernimmt. Das funktioniert oft automatisch. Bei Zweifeln hilft die Berufsberatung gern weiter. Dies betrifft manchmal Schülerinnen und Schüler, welche sonderpädagogisch, jedoch integrativ oder inklusiv beschult wurden.
Im Zuge der Betreuung durch den Rehafachberater kann auch eine Begutachtung, beispielsweise zum Lernleistungsniveau erfolgen. Diese kann Aufschlüsse darüber geben ob oder in welchem Umfang die genannten Unterstützungsangebote erforderlich sind. Auch die ausbildungswilligen Unternehmen sollten sich in dieser Zeit durch Ausbildungsberater der Kammern oder Arbeitgeberberater von Fachdiensten informieren. Hier geht es vorwiegend um die Ausbildungsberechtigung, Ausbildungsform- und -inhalt, sowie mögliche Förderleistungen im Einzelfall.
Ansprechpartner für Menschen mit Behinderungen und potenzielle Ausbilder
Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sollten Kontakt zur Berufsberatung der Agentur für Arbeit haben und die Berufsorientierungsfachkräften der jeweiligen Kammern kennen. Idealerweise bestehen bereits Verbindungen durch Berufsorientierungsveranstaltungen an Schulen. Darüber hinaus können Schulabgänger mit einer Schwerbehinderung oder Gleichstellung auch vom Programm „Übergang Schule/Beruf“ der Integrationsfachdienste profitieren.
Auch die ausbildungswilligen Unternehmen sollten sich in dieser Zeit informieren. Dabei geht es vorwiegend um die Ausbildungsberechtigung, Ausbildungsform und Ausbildungsinhalt sowie mögliche Förderleistungen im Einzelfall. Arbeitgeber erhalten Unterstützung durch den Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit, Inklusions- und Ausbildungsberater der Kammern. Zudem wurden brandenburgweit Einheitliche Ansprechpartner für Arbeitgeber implementiert.
Good-Practice in Brandenburg
Zahlreiche Good-Practice-Beispiele zeigen uns, wie Inklusion in der Berufsausbildung in Brandenburg heute aussehen kann. So konnten in den letzten Jahren viele Jugendliche mit Behinderung zu kompetenten Fachkräften in Brandenburg ausgebildet werden. Drei Beispiele haben wir hier gelistet:
- Einstiegqualifizierung in Brandenburg: Sozialversicherungspflichtiges Praktikum für benachteiligte Jugendliche
- Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB): Inklusion gestalten – Unterstützte Ausbildung
- ZDF – heute in Deutschland: Azubi trotz Lernschwäche
- Lehrling des Monats April | In der Ausbildung als Hörakustikerin bei Amplifon in Zeuthe